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Einführung:
Unternehmens­Mitbestimmung mit mindestens 3 Gruppen

Diese Grafik soll ausdrücken, dass eine dritte Gruppe die zu große Macht der Anteilseigner ausgleichen kann.
            Die Grafik im Detail:
            Überschrift: "Macht in Großunternehmen". 
            Darunter ist ein abgeflachter Halbkreis, mit einer geraden Linie oben. 
            Darin sind 2 Flächen, eine mit dem Wort "Anteilseigner" und eine mit dem Wort "Beschäftigte". Die Fläche mit dem Wort "Anteilseigner" ist größer. 
            Darunter ist eine weitere Fläche, die etwa die Form eines Dreiecks hat und sich teilweise überschneidet mit der Fläche mit dem Text "Anteilseigner". Diese unterste Fläche hat den Text: "dritte Gruppe für Umweltschutz, Verbraucher:innen, Interessenausgleich, ..."

Nach kurzer Einführung in die derzeitige UnternehmensMitbestimmung werden Ansätze vorgestellt, die gemeinsam haben: In einem zentralen Gremium eines größeren Unternehmens (z.B. Aufsichtsrat) sind nicht nur Anteilseigner und Beschäftigte vertreten, sondern mindestens eine weitere Gruppe. Zu diesen zusätzlichen Gruppen gibt es verschiedene Vorstellungen:

Bei einer Mitbestimmung mit 3 Gruppen kommt leicht der Gedanke, dass alle 3 Gruppen ein Drittel der Stimmen haben könnten. Dies wäre zwar oft sinnvoll, dürfte vielen aber zunächst einmal als ein unrealistisches Ziel erscheinen. Deshalb wird für die Einführungsphase einer 3-Gruppen-Mitbestimmung ein Stimmenverhältnis näher betrachtet, bei dem die Anteilseigner 50% der Stimmen haben (z.B. mit Stimmenverhältnis 50 : 40 : 10).
Außerdem gibt es Ansätze, bei denen eine 3. Gruppe von den anderen beiden Gruppen gewählt wird.


1. bisherige UnternehmensMitbestimmung großer Unternehmen in Deutschland

Am Anfang dieser Einführung steht auch deshalb die Mitbestimmung in Deutschland, weil sie im internationalen Vergleich weitgehend ist.
Während für die betriebliche Mitbestimmung der Beschäftigten der Betriebsrat zentral ist, ist es für die Unternehmensmitbestimmung der Aufsichtsrat. Im Aufsichtsrat sind Anteilseignern und Beschäftigte vertreten.
Der Aufsichtsrat wählt und kontrolliert den Vorstand (AktG §84, §111). Er prüft auch den Jahresabschluss eines Unternehmens (AktG §171).
Der Aufsichtsrat kann Geschäfte definieren, bei denen vor der Durchführung durch den Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats nötig ist. Eine Ablehnung durch den Aufsichtsrat kann aber auf Antrag des Vorstands durch eine Entscheidung der Hauptversammlung eines Unternehmens umgangen werden (AktG §111).
Aufsichtsräte gibt es nicht nur bei Aktiengesellschaften (AG), sondern auch bei GmbHs und Genossenschaften.

1.1 Mitbestimmungsgesetz von 1976


Mitbestimmungsgesetz von 1976

Dieses Gesetz gilt für Unternehmen mit über 2.000 Beschäftigten. Die Beschäftigten haben hier zwar oberflächlich betrachtet genauso viele Plätze im Aufsichtsrat wie die Anteilseigner; allerdings sind die besonders bevorzugten leitenden Angestellten gesondert zu betrachten. Die Benachteiligung der überwältigenden Mehrheit der Beschäftigten ergibt sich durch:

Diese Nachteile gibt es nicht bei der Montanmitbestimmung.

1.2 Montanmitbestimmung


Montanmitbestimmung

Die Montanmitbestimmung gilt für Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie und des Bergbaus mit über 1000 Beschäftigten. Sie hat folgende zentrale Regelung:

Im Aufsichtsrat haben Anteilseigner und Beschäftigte gleich viele Stimmen, zusätzlich wird von beiden Gruppen gemeinsam eine "neutrale" Person gewählt.

Weitere Regelungen:

Es wäre zwar eine Verbesserung, wenn die Montan-Mitbestimmung oder etwas ähnliches auf alle Unternehmens-Felder ausgeweitet würde und somit das Gesetz von 1976 ersetzen würde. Die Montanmitbestimmung hat aber auch Schwächen, diese werden in den Abschnitten 2. und 3. erkennbar.

2. Vergleich: Montanmitbestimmung ↔ dritte Gruppe während der Einführungsphase


Vergleich: Montanmitbestimmung und 3-Gruppen-Mitbestimmung

Die Montanmitbestimmung ist für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) das Vorbild für die Weiterentwicklung der Mitbestimmung bei anderen Unternehmens-Bereichen (also auch für Änderungen des Mitbestimmungsgesetzes von 1976): "DGB und Gewerkschaften betrachten die Montanmitbestimmung auch weiterhin als eine Blaupause für die Weiterentwicklung des Mitbestimmungsgesetzes."[3] Das macht einen Vergleich zwischen Montanmitbestimmung und einer Mitbestimmung mit 3 Gruppen umso naheliegender.

Bei einer Mitbestimmung mit 3 Gruppen kommt leicht der Gedanke, dass alle 3 Gruppen ein Drittel der Stimmen haben könnten. Dies wäre zwar oft sinnvoll, dürfte vielen aber zunächst einmal als ein unrealistisches Ziel erscheinen. Deshalb sollte gerade für die Einführungsphase einer 3-Gruppen-Mitbestimmung eine bescheidene Variante näher betrachtet werden: 50% der Stimmen für die Anteilseigner und zusammen 50% für Beschäftigte und 3. Gruppe; bei Unternehmen mit vielen Beschäftigten könnten die Stimmen der 3. Gruppe auf 2 Stimmen beschränkt sein. Ergänzend könnte es eine zusätzliche neutrale Person geben, die von den bisherigen Mitgliedern eines Aufsichtsrats hinzugewählt wird mit mindestens der Hälfte der Stimmen in allen 3 Gruppen.

Auch bei dieser bescheidenen Variante einer 3-Gruppen-Mitbestimmung sind schon Vorteile gegenüber der Montanmitbestimmung zu erkennen:

Die gesetzliche Einführung dieser bescheidenen 3-Gruppen-Mitbestimmung dürfte leichter sein, als die Montanmitbestimmung auf alle Unternehmensbereiche auszuweiten. Denn nicht alle, die die Macht der Anteilseigner verringern wollen, wollen dies allein über eine Stärkung der Beschäftigten erreichen; sei es, weil sie Vorbehalte haben gegen einen entsprechend starken Machtgewinn von Gewerkschaften, oder weil ihnen die Beteiligung anderer Interessengruppen wichtig ist, oder weil sie Mitbestimmung auch bei finanzstarken Unternehmen mit wenigen Beschäftigten für nötig halten.

Zugleich haben die Beschäftigten bei dieser bescheidenen 3-Gruppen-Mitbestimmung mehr Einfluss als beim Mitbestimmungsgesetz von 1976 (trotz ihres geringeren Stimmenanteils), denn die Anteilseigner können nicht alleine entscheiden.

Diesen größeren Einfluss der Beschäftigten gibt es zumindest dann, wenn bei der 3. Gruppe keine Mitglieder Stimmrecht haben, für die grundsätzlich die Interessen der Anteilseigner entscheidend sind. Wobei die Wahrscheinlichkeit solcher Mitglieder gering gehalten werden kann mit Regelungen, die je nach konkreter Ausgestaltung der 3. Gruppe unterschiedlich sein können.

Bei den Erläuterungen oben wird davon ausgegangen, dass die 3. Gruppe gewählt wird ohne Abhängigkeit von den anderen beiden Gruppen; was nicht bei allen Mitbestimmungsvorschlägen aus 4.3 der Fall ist.

3. Vorteile eines Aufsichtsrats mit mindestens einer dritten Gruppe

Vorbemerkung: In den folgenden Abschnitten wird die Bezeichnung „Aufsichtsrat“ auch auf Mitbestimmungs-Ansätze bezogen, wo ein anders bezeichnetes Gremium vergleichbare Aufgaben hat.

Wenn neben Beschäftigten und Anteilseignern mindestens eine 3. Gruppe hinzukommt (sei es allgemein für die Gesellschaft oder speziell für Umweltschutz, Konsumenten, …), dann können folgende Vorteile erreicht werden:

a) Gesellschaftliche Interessen, die im Konflikt "Anteilseigner gegen Beschäftigte" nur nachrangige Bedeutung haben, werden bei der Montanmitbestimmung nicht angemessen berücksichtigt. Mit einer 3. Gruppe kann das korrigiert werden.

b) Unternehmens-Größe gemäß finanziellen Werten: Bei der Größe eines Unternehmens, ab der eine Mitbestimmung angewandt wird, sollte es nicht nur um eine Mindestzahl an Beschäftigten gehen, sondern alternativ auch um finanzielle Mindestwerte (wie Aktienwert oder sonstiger Verkaufswert, Umsatz, Bilanzsumme, für Kunden verwaltetes Vermögen). Denn ein Unternehmen mit wenigen (gut verdienenden) Beschäftigten und großer Finanzkraft kann einen großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Dies betrifft Anliegen wie z.B. Umweltschutz, Bildung und soziale Grundversorgung. Dies betrifft die große Anzahl schlechter verdienender Beschäftigter in anderen Unternehmen, und zwar auch wenn ein finanzkräftiges Unternehmen an diesen anderen Unternehmen keine Anteile hat. Solche finanzstarken Unternehmen mit wenigen Beschäftigten können z.B. sein:

Auch bei Stiftungen ist eine Mitbestimmung entsprechend finanzieller Mindestwerte sinnvoll.

c) Die Anteilseigner können im Aufsichtsrat in der Minderheit sein (zum Rechtlichen siehe auch in 5. zu Eigentum + Grundgesetz und beim Text von Onur Ocak in 4.3.j).
Wenn die Anteilseigner im Aufsichtsrat z.B. ein Drittel der Stimmen hätten und keine andere Gruppe hätte mehr, dann wäre ihre Position immer noch stark; da sie aber wie alle anderen Gruppen überstimmt werden können, wird der Druck und die Bereitschaft zur Konsenssuche deutlich erhöht.
Eine solche Minderheitsposition der Anteilseigner ist auch dann besonders bedeutend, wenn Anteilseigner ihre finanziellen Mittel auf kriminelle oder menschenrechtlich fragwürdige Weise erlangt haben oder verwenden. Beispiele hierzu wären Geldwäsche, preistreibende Spekulation mit Nahrungsmitteln, Nutzung von Arbeitskräften bei miesen Arbeits- und Lohnbedingungen.

d) Beschäftigte in Hochtechnologie-Unternehmen: Eine 3. Gruppe ist als Gegengewicht hilfreich, wenn es bei solchen Unternehmen viele Beschäftigte gibt,

e) Es kann mehr Aufmerksamkeit für Demokratie mit Bezug auf große Unternehmen erzeugt werden, wenn mindestens eine 3. Gruppe beteiligt ist. Denn:

f) Lobbyismus: Die Interessen hinter dem Lobbyismus eines Unternehmens sind breiter, dadurch eher ausgewogener.

g) Mit mindestens einer 3. Gruppe gibt es eine größere Vielfalt bei denen, die Macht in einem Unternehmen haben. Dadurch ist eine größere Offenheit in einem Unternehmen zu erwarten für die Belange von nicht oder nicht direkt im Aufsichtsrat vertretenen Gruppen. Auf diese Gruppen kann flexibel außerhalb der gesetzlichen Unternehmensmitbestimmung in jedem Unternehmen so eingegangen werden, wie es speziell für ein bestimmtes Unternehmen passt.

4. Ansätze mit mindestens 3 Gruppen

4.1 Übersicht genannter zusätzlicher Gruppen, Interessen, Organisationen

Zum einen kann es eine umfassende 3. Gruppe geben, unter verschiedenen Bezeichnungen:

Zum anderen werden genauere Gruppen, Interessen und Organisationen genannt:

4.2 Kriterien zur Bewertung verschiedener Ansätze

4.3 Übersicht von Ansätzen

a) 1970-75 zur Einführung einer Europäischen Aktiengesellschaft:

b) 1975-78, Bullock-Kommission in Großbritannien: System „2x + y“

Zum Vorschlag der Bullock-Kommission („Report of the committee of inquiry on industrial democracy“) schrieb Thomas Piketty im Buch „Kapital und Ideologie“ (2020) auf den Seiten 637-40:

"Ein besonders interessanter Fall ist der sogenannte Vorschlag „2x + y“, der in Großbritannien 1977-1978 diskutiert wurde. Arbeitsminister Harold Wilson hatte 1975 eine aus Juristen, Gewerkschaftsvertretern und Arbeitgebern bestehende Kommission unter dem Vorsitz des Historikers Alan Bullock damit beauftragt, einen Bericht zu der Frage der Mitbestimmung zu erarbeiten.

Jedenfalls empfahl die Bullock-Kommission 1977 der britischen Labour-Regierung das sogenannte System „2x + y“. Es sah vor, dass in allen Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten die Aktionäre und die Arbeitnehmer jeweils eine Anzahl x von Mitgliedern des Verwaltungsrats wählen sollten. Der Staat komplettierte das Bild, indem er eine Anzahl y von unabhängigen Verwaltungsratsmitgliedern ernannte, bei Stimmengleichheit zwischen den Aktionärsvertretern und den Arbeitnehmervertretern gaben die Stimmen der vom Staat ausgewählten Vertreter den Ausschlag. So konnten beispielsweise in einem Verwaltungsrat 5 Vertreter der Aktionäre, 5 Vertreter der Arbeitnehmer und 2 staatliche Vertreter sitzen. Die Betriebsverfassungen konnten bei x und y variieren, aber nichts daran ändern, dass allein das Board of Directors (wie der Verwaltungsrat in angelsächsischen Unternehmen heißt) die wichtigsten Entscheidungen trifft (Ernennung und Abberufung der Unternehmensführung, Genehmigung des Jahresabschlusses, Verteilung von Dividenden etc.). Nicht überraschend liefen die Aktionäre und die Londoner City gegen diesen Vorschlag Sturm, weil er die vertrauten Vorstellungen des Privatkapitalismus auf den Kopf stellte und potenziell noch über die deutsche und schwedische Mitbestimmung hinausging. Die Gewerkschafter und die Mehrheit der Labour Party sprachen sich nachdrücklich dafür aus, ein anderer Kompromiss zeichnete sich nicht ab. [Fußnote: Gewerkschafter und Arbeitgeber vertraten in der Bullock-Kommission gegensätzliche Positionen, und letzten Endes gaben die Stimmen der Juristen und Hochschullehrer den Ausschlag zugunsten der endgültigen Lösung.] Im Herbst 1978 erwog der neue Labour-Premierminister James Callaghan, der 1976 auf Harold Wilson gefolgt war, ernsthaft Neuwahlen, alle Umfragen deuteten auf einen Wahlsieg von Labour hin. Schließlich entschied er, noch ein Jahr zu warten. Im Winter of Discontent 1978-1979 lähmten zahlreiche soziale Konflikte das Land, während gleichzeitig die Inflation explodierte. Bei den Wahlen 1979 siegten schließlich die Tories unter Margaret Thatcher, und das Vorhaben, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu regeln, wurde endgültig begraben.

Generell lautet eine der wichtigsten Fragen, inwieweit es möglich ist, die automatische Mehrheit der Aktionäre, wie sie die deutsche Mitbestimmungsregelung vorsieht, zu überwinden. Eine Lösung ist der Vorschlag „2x + y“ der Bullock-Kommission, aber dabei erhält der Staat erhebliches Gewicht, was möglicherweise bei sehr großen Unternehmen funktionieren kann (es läuft darauf hinaus, dass lokale und nationale öffentliche Körperschaften die Rolle von Minderheitsaktionären übernehmen), aber Probleme aufwerfen dürfte, wenn man ein solches System auf Hunderttausende kleiner und mittlerer Unternehmen anwenden wollte. [Fußnote: Außer wenn man die Mechanismen und Verfahren präzisierte, wie dort staatliche Verwaltungsräte ernannt werden sollten, und man sich versicherte, dass das System befriedigend funktionierte (was nicht prinzipiell unmöglich war, aber eine konkrete historische Erfahrung verlangt hätte).] Generell ist eine wichtige Einschränkung des deutschen Systems, dass es nur für große Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gilt, während die Mitbestimmung der nordeuropäischen Länder den Vorzug hat, dass sie in viel mehr Unternehmen zur Anwendung kommt (je nach Land mit über 30, 35 oder 50 Beschäftigten). In Anbetracht der Tatsache, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer in kleinen Unternehmen arbeitet, ist es wichtig, Regelungen zu haben, die in der einen oder anderen Form für alle gelten.
Abgesehen von dem Vorschlag „2x + y“ könnte eine komplementäre Lösung darin bestehen, den Aktienbesitz von Arbeitnehmern zu fördern. ..."

Im Originaltext zum System „2x + y“ ist zu sehen, dass die dritte Gruppe (das "y") von den anderen beiden Gruppen hinzugewählt wird:[7]

c) 1988, William M. Evan und R. Edward Freeman:

“A Stakeholder Theory of the Modern Corporation: Kantian Capitalism” (in “Ethical theory and business” (Beauchamps / Bowie)), Seiten 100-105 (übersetzt):

Prinzip der Unternehmensrechte („Principle of Corporate Rights“ PCR): Das Unternehmen und seine Manager dürfen nicht die legitimen Rechte anderer verletzen, ihre Zukunft selbst zu bestimmen.
Prinzip der Unternehmenswirkungen („Principle of Corporate Effects“ PCE): Das Unternehmen und seine Manager sind für die Auswirkungen ihrer Handlungen auf andere verantwortlich.

Freeman und Reed (1983) unterscheiden zwei Bedeutungen von Stakeholdern (Interessenvertretern). Die „enge Definition“ umfasst diejenigen Gruppen, die für das Überleben und den Erfolg des Unternehmens von entscheidender Bedeutung sind. Die „weite Definition“ umfasst jede Gruppe oder Einzelperson, die das Unternehmen beeinflussen kann oder von diesem beeinflusst wird. Während die weite Definition eher mit (PCE) und (PCR) übereinstimmt, wirft sie zu viele schwierige Fragen auf. Wir werden mit einem bescheideneren Ziel beginnen: eine Stakeholder-Theorie unter Verwendung der engen Definition zu artikulieren.

1. Das Stakeholder Board of Directors. Wir schlagen vor, dass jedes Unternehmen einer bestimmten Größe, die noch zu bestimmen ist, aber sicherlich alle, die öffentlich gehandelt werden oder von der Größe der öffentlich gehandelten Unternehmen sind, ein Board of Directors bilden, das sich aus Vertretern von fünf Stakeholder-Gruppen zusammensetzt, darunter Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Aktionäre und Mitglieder der lokalen Gemeinschaft, sowie aus einem Vertreter des Unternehmens, den wir als "metaphysischen Direktor" bezeichnen könnten, da er oder sie für die metaphysische Einheit, die "das Unternehmen" ist, verantwortlich wäre. Ob jeder Vertreter das gleiche Stimmrecht hat oder nicht, kann durch Experimentieren entschieden werden;

Daher würden die Vertreter jeder Stakeholder-Gruppe aus einer "Stakeholder-Versammlung" gewählt, die zunächst zusammenkommen würde, um Arbeitsregeln, Chartas usw. zu verabschieden, und deren einziger Zweck darin bestünde, Vertreter in Unternehmens-Boards zu wählen und abzuberufen.

Jede Stakeholder-Gruppe hätte das Recht, Vertreter zu wählen und Vertreter in Boards abzuberufen. Ob dies auf Unternehmens-, Branchen- oder Länderbasis geschieht, ist Gegenstand für weitere Diskussionen.

Das Management hätte das Recht, seiner Treuhandpflicht nachzukommen, wie sie vom Board und den Gerichten ausgelegt und eingeschränkt wird, …“

d) 1989, Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der Grünen

zum „Ausbau der Mitbestimmung im Unternehmen und zur ökologischen Unternehmensverfassung“. Die folgenden Zitate hierzu sind aus dem Text „Integration des Umweltinteresses und Stärkung der Belegschaftsinteressen in der Unternehmensverfassung – die Reformvorstellungen der Grünen“ (von Eckhard Stratmann-Mertens, gekürzte Fassung eines Textes von 1991[8]):
„[Seite 2:] Denn zu offenkundig war, daß allein eine stärkere Berücksichtigung von Beschäftigteninteressen bei der Unternehmensmitbestimmung noch keine Gewähr für eine ökologische Unternehmenspolitik ist. Allzu oft, wenn nicht in der Regel, gehen Kapital und Arbeit eine unheilige Allianz gegen Umweltbelange ein, wenn es zum Konflikt zwischen Gewinn- bzw. Einkommensinteressen einerseits und Umweltinteressen andererseits kommt. …
[Seite 4:] Der Gesetzentwurf soll sowohl das Montan-Mitbestimmungsgesetz als auch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 ablösen. Seine Gültigkeit erstreckt sich auf alle Großunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, GmbH oder Genossenschaft ab einer Größenordnung von 1000 Beschäftigten.

Hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats werden zwei Alternativen vorgestellt:
Das überparitätische Modell geht von 20 Mitgliedern des AR aus (ab einer Beschäftigung von 10.000), die jeweils zur Hälfte von der Anteilseigner- bzw. der Beschäftigtenseite gewählt werden. Auf der Beschäftigtenbank ist kein leitender Angestellter qua Recht vertreten; das Entsendungsrecht der Gewerkschaften entfällt. [Fußnote 8 hierzu: Im Verlauf der Beratungen des Entwurfes kristallisierte sich als Tendenz heraus, zumindest ein alleiniges Vorschlagsrecht der Gewerkschaften und ihrer Spitzenorganisationen für eine Minderzahl an außerbetrieblichen GewerkschaftsvertreterInnen vorzusehen.]
Von den zehn VertreterInnen beider Seiten müssen jeweils zwei SachwalterInnen von Umweltinteressen sein. Für die Wählbarkeit der UmweltsachwalterInnen gelten besondere Anforderungen: Sie müssen Erfahrungen im Umweltschutzbereich mitbringen oder sich durch Wort und Tat für den Umweltschutz eingesetzt haben; sie dürfen zu den Vereinigungen der Anteilseigner bzw. der Beschäftigten und zu dem Unternehmen keine vertretungsmäßigen, arbeits-/dienstrechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen unterhalten.
Die VertreterInnen der Beschäftigten wählen den/die Aufsichtsratsvorsitzende/n wenn er/sie nicht im ersten Wahlgang mit einer Zweidrittelmehrheit aller Mitglieder des AR gewählt wird. Dies entspricht genau einer Umkehrung der Regelung nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976. Zur Auflösung einer Pattsituation im AR erhält der/die Aufsichtsratsvorsitzende doppeltes Stimmrecht.
Das paritätische Modell der Alternative B unterscheidet sich von dem überparitätischen Modell lediglich dadurch, daß zusätzlich zu den jeweils zehn VertreterInnen beider Seiten ein weiteres Mitglied hinzukommt (also insg. 21 Mitglieder im AR; dieses Mitglied korrespondiert [mit] der neutralen Person nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz). Das weitere Mitglied muß ein/e SachwalterIn von Umweltinteressen sein und mit der Mehrheit der Stimmen der übrigen vier UmweltsachwalterInnnen gewählt werden. Der/die AR-Vorsitzende wird mit einfacher Mehrheit gewählt. Wegen der ungeraden Mitgliederzahl ist eine Regelung zur Pattauflösung nicht erforderlich.
Die Wahl der VertreterInnen der Anteilseigner findet durch die Versammlung der Anteilseigner statt; die Wahl der VertreterInnen der Beschäftigten durch die Betriebsrätevollversammlung, bei Unternehmen bis zu 10.000 Beschäftigten fakultativ durch Direktwahl der Beschäftigten. Die in ausländischen Zweigstellen und Tochtergesellschaften deutscher Großunternehmen tätigen Beschäftigten entsenden anteilig Personen in die Betriebsrätevollversammlung. Frauen und Männer sollen im AR entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Unternehmen vertreten sein.
Vorschlagsberechtigt für die Wahl der AR-Mitglieder beider Seiten sind neben den AnteilseignerInnen bzw. den Gewerkschaften im Betrieb, den einzelnen Betriebsräten oder einem zwanzigstel der Beschäftigten des Unternehmens auch Umwelt- und Verbraucherverbände, Kommunalparlamente am Sitz des Unternehmens und einzelne Fraktionen dieser Parlamente.

[Seite 6:] Das Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner (nach §111 Aktiengesetz) wird ersatzlos gestrichen, um ein Aushebeln von AR-Entscheidungen durch die Kapitaleigner auszuschließen. Im Falle unterschiedlicher Beschlüsse von Anteilseignerversammlung und AR ist die Entscheidung des AR maßgeblich, mit Ausnahme von Entscheidungen der Anteilseignerversammlung zu der Verwendung des Bilanzgewinns, Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen/ Kapitalherabsetzungen.
Der Einfluss des AR gegenüber dem Vorstand wird erheblich ausgeweitet durch die Erweiterung seiner Zustimmungsrechte: Auf Antrag von einem Drittel der AR-Mitglieder kann jedes einzelne Geschäft des Vorstands für zustimmungspflichtig erklärt werden.

Die Stellung der UmweltsachwalterInnen beider Seiten ist besonders abgesichert: Qua Gesetz hat für sie „das Interesse an der Erhaltung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen … unbedingten Vorrang“ vor den Gewinninteressen des Unternehmens (§ 25). Infolgedessen können sie auf Antrag nur von der Umweltstrafkammer des zuständigen Landgerichts amtsenthoben werden.

[Seite 7-8:] In allen umweltrelevanten Unternehmen wird auf der Ebene des Unternehmensvorstandes die Institution des/der Umweltbeauftragten geschaffen. … Sie werden von der obersten Landesbehörde bestellt, die für die Gewerbeaufsicht des Unternehmens zuständig ist. … Das Vorschlagsrecht zur Bestellung haben auch Umweltverbände, Gewerkschaften und Betriebsräte.

[Seite 14:] Ursprünglich sollten nach dem Willen der GRÜNEN Bundestagsfraktion (und des Autors) die Umwelt- und VerbraucherInnenverbände eigene VertreterInnen in den AR der Unternehmen entsenden, um auf diese Weise das Umweltinteresse in die Unternehmensverfassung zu integrieren (s.o.). Im Verlaufe der Einzelberatung im Vorfeld der Inauftraggabe des Gesetzentwurfes wurde diese Vorstellung jedoch zugunsten der Kooptationslösung für den AR fallengelassen: Je zwei SachverwalterInnen des Umweltinteresses werden von beiden Seiten des AR kooptiert. Anders schien die politische Vorgabe, daß die Position der abhängig Beschäftigten im Interessenkonflikt mit dem Kapital durch die Umweltvertretung nicht geschwächt werden dürfe, nicht gewährleistet werden zu können.

[Seite 16:] Aufgrund ihrer Arbeitsleistung und ihres persönlichen Risikos sollten die Beschäftigten im Unternehmen so stark gemacht werden, daß gegen ihren Willen das Unternehmen nicht geführt werden kann; dies bedeutet in einem nächsten Schritt die Überparität im AR. Der Vorschlag … einer „dritten Bank“ für die Natur würde zwar nicht generell, aber doch in der Tendenz darauf hinauslaufen, daß Kapital und Natur ein Bündnis gegen die Arbeit eingehen; denn die Kompensationsmöglichkeiten, über die das Kapital aufgrund seiner Flexibilität verfügt, können von der Arbeit dem Faktor Natur nicht angeboten werden. Ein Gedankenspiel: Im Fall Krupp-Rheinhausen wäre ein Zusammenstimmen von Kapital und Natur zur Stillegung des Stahlwerkes wahrscheinlich gewesen, da „kein Stahlwerk“ umweltverträglicher ist als ein real existierendes.“
In diesem Text von Stratmann-Mertens wird außerdem nahegelegt, dass das genannte überparitätische Modell eigentlich eher paritätisch wäre, wegen der Zuständigkeit der Anteilseignerversammlung für „Grundlagenentscheidungen“.

e) 2004, Attac,

„Diskussionen in Attac Deutschland zu einer Alternativen Weltwirtschaftsordnung“, Seite 34:
„Die einseitig auf die Interessen der KapitalgeberInnen bzw. AnteilseignerInnen ausgerichteten Entscheidungsprozesse transnationaler Konzerne (TNK) müssen überwunden werden. Wir fordern umfassende Mitsprache und Mitbestimmung der Betroffenen („Stakeholder“) und ihrer InteressenvertreterInnen auf allen Ebenen – im Unternehmen, national und international. Zu den Stakeholdern gehören die Beschäftigten, aber auch die in der Umgebung Lebenden, die von Rohstoffgewinnung und anderen Produktionsauswirkungen Betroffenen und die VerbraucherInnen bzw. entsprechende Umwelt- und soziale Organisationen.
… muss die Rolle der Zivilgesellschaft gestärkt werden, durch einklagbare Transparenzregeln gegenüber den TNK und durch umfassende Mitbestimmung aller Stakeholder an den Entscheidungsprozessen innerhalb der TNK.“

f) 2004, Joachim Beerhorst,

aus „Demokratisierung der Wirtschaft - theoretische Desiderate und politische Erinnerung"[9]. Hier gibt es keine eigenen Ansätze zur 3. Gruppe, aber eine Übersicht und Bewertung entsprechender Ansätze und einen Vorschlag, wie so etwas in ein „Mehrebenenkonzept“ integriert werden könnte:
„Unter dem Eindruck der ökologischen Krise und der lokalen und regionalen Auswirkungen von Unternehmensentscheidungen ist zur Mitte der achtziger Jahre kurzzeitig eine erweiterte mitbestimmungspolitische Konzeption diskutiert worden, die sowohl mit der demokratietheoretischen, insbesondere aber mit der antikapitalistischen Lesart von Mitbestimmung zu verbinden wäre, von beiden aber verlangte, das dualistische Kapital-Arbeit-Paradigma zu überarbeiten. Ausgehend von der Kritik, dass im halbparitätischen, die 'Produktionsfaktoren' repräsentierenden Mitbestimmungsmodell der Faktor Natur nicht vertreten sei und beide repräsentierten Interessen - Kapital und Arbeit - dazu neigten, sich in einer Art faktischer Produktivitäts- und Wachstumskoalition über Umweltbelange und externe Wirkungen der einzelwirtschaftlichen Produktionsweise hinwegzusetzen, geht es in dieser Konzeption darum, Umwelt- und andere öffentliche Interessen institutionell in die Unternehmensentscheidungen zu integrieren - und zwar mittels der Einrichtung einer 'dritten Bank' im Aufsichtsrat und der Kooptation eines Vorstandsmitglieds mit besonderem Mandat. Eine derart erweiterte Konzeption von Mitbestimmung greift Überlegungen wieder auf, die bereits bei Naphtali zu finden sind (in Gestalt der drittelparitätisch zusammengesetzten wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörperschaften)

Weitgehend unbeachtet hatte allerdings der Europäische Gewerkschaftsbund 1970 solchen Erwägungen Rechnung getragen, indem er in sein Positionspapier zur Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts für eine Europäische Aktiengesellschaft die Forderung nach einem drittelparitätisch aus Kapital-, Arbeitnehmer- und Vertretern öffentlicher Interessen zusammengesetzten Aufsichtsrat aufnahm und damit von der Halbparität abwich (...) - jedoch ohne nennenswerte Resonanz in den deutschen Gewerkschaften. Ein erneuter Vorstoß in dieser Richtung ging im Jahr 1989 von dem Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion der Grünen zum 'Ausbau der Mitbestimmung im Unternehmen und zur ökologischen Unternehmensverfassung' aus

Zusammenfassend: Beide Elemente - die Erweiterung des Aufsichtsrats um eine 'dritte Bank' und die stärkere Anbindung des [Aufsichtsrats-]Vorsitzenden an Arbeitnehmerinteressen (und die zusätzlich, analog zum Arbeitsdirektor, vorgesehene Bestellung eines Umweltdirektors als Vorstandsmitglied) - könnten die Mitbestimmungspraxis, oft als Elitengeschäft, als abgehoben und kaum um gesellschaftlich und sozial verpflichtete Alternativkonzepte ringend wahrgenommen, neu ausrichten. Mitbestimmung ließe sich wieder verknüpfen mit emanzipatorischen Motiven der Arbeiterbewegung und mit dem Partizipationsanspruch der viel beschworenen Zivilgesellschaft, die Demokratie materialistisch erweitern.

Fasst man die bis hierher vorgestellten Ansätze zusammen, so lässt sich ein Mehrebenenkonzept umreißen: Betriebliche Arbeitnehmerinitiativen, die Vertretung öffentlicher Belange in Unternehmensaufsichtsräten, gestufte Wirtschafts- und Sozialräte mit Beratungs- und Vetorechten und mobilisierende kommunale/regionale Wirtschafts-, Struktur- und Sozialpolitik könnten, wen es gelänge, sie durchzusetzen und miteinander zu verbinden, die tragenden Elemente einer Demokratisierung der Wirtschaft und damit zugleich einer Demokratisierung der Demokratie bilden.“

g) 2007, Alex Demirović,

Buch „Demokratie in der Wirtschaft - Positionen Probleme Perspektiven“
Auf Seite 256 steht am Ende des Abschnitts „9.1 Zur Reform der wirtschaftsdemokratischen Institutionen“ (als eine kritische Bemerkung zu 2 Texten von Heinz-J. Bontrup, u.a. zu „Wirtschaftsdemokratie statt Shareholder-Kapitalismus“[10]):
„... die Gefahren des Betriebs- und Unternehmensegoismus. Im Sinne eines Verallgemeinerungsprozesses, in dem sich die ArbeitnehmerInnen und die Gewerkschaften als demokratische Kraft mit anderen sozialen Gruppen verbinden, müßten in besonderer Weise vier weitere Gruppen Berücksichtigung finden: die Erwerbslosen und prekär Beschäftigten, die Konsumenten, Umweltschutzverbände sowie schließlich die Arbeitnehmer, die bei Tochterunternehmen im Ausland beschäftigt sind. Hier wäre zu überlegen, daß in den Aufsichtsräten eine dritte Bank für gesellschaftliche Gruppen eingerichtet wird (vgl. Beerhorst 2004, 367).“

h) 2012, www.akademie-solidarische-oekonomie.de:

i) 2013, zum Gesetzentwurf[12] eines Volksbegehrens

von 2013 über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung:

j) 2016, Onur Ocak,

Buch/Dissertation: "Die zivilgesellschaftliche Unternehmensmitbestimmung und ihre verfassungs- und europarechtliche Bewertung" (289 Seiten)

Onur Ocak entwickelt ein "überparitätisches" Modell der Unternehmensmitbestimmung und untersucht im Großteil des Buches dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und dem Europarecht. Er hält dieses Modell für vereinbar mit diesen gesetzlichen Grundlagen. Beim Grundgesetz geht es um Eigentum, Vereinigungs-, Berufs- und Koalitionsfreiheit. Beim Europarecht geht es um Niederlassungsrecht (zur Anwendung der zivilgesellschaftlichen Mitbestimmung auch auf EU-Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland) und Kapitalverkehrsfreiheit (zur Abschaffung des Letztentscheidungsrechts der Anteilseigner, zum Zwei-drittel-Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei Kerngeschäften, zur Kooptierung von Vertretern der Allgemeinheit).
"Überparitätisch" bedeutet hier, dass die Anteilseigner im Aufsichtsrat die Stimmenminderheit haben können, wenn bei einer Pattsituation die Person, die den Aufsichtsratsvorsitz hat, doppeltes Stimmrecht hat (diese Person soll zunächst mit 2/3-Mehrheit gewählt werden, wenn das nicht klappt, wählen die Arbeitnehmer diese Person).
Dieses Modell hat als Ausgangsgrundlage das "überparitätische Modell" der Grünen von 1989.

[Seiten 266-7 im Endergebnis:] "Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte mit Rechtsform einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Genossenschaft. Sie ist auch auf europäische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland anwendbar.
Das Kontrollorgan setzt sich zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen, wobei aus jeder Fraktion zwei Vertreter der Allgemeinheit kooptiert werden müssen. Der Aufsichtsratsvorsitzende – mit Doppelstimmrecht in Pattsituationen – wird mit Zweidrittel-Mehrheit bestimmt. Ansonsten legen die Vertreter der Arbeitnehmer den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Anteilseigner den Stellvertreter fest. Die Vertreter der Anteilseigner werden durch die Hauptversammlung gewählt, die der Beschäftigten durch die Betriebsrätevollversammlung oder optional durch Direktwahl. Die Vertreter der Allgemeinheit werden durch eine Vielzahl von vorschlagsberechtigten Personen, Gruppen, Organisationen der Zivilgesellschaft und des Staates vorgeschlagen. Der Aufsichtsrat wird gestärkt, die zustimmungspflichtigen Geschäfte werden ausgeweitet und der Aufsichtsrat erhält nun statt der Hauptversammlung grundsätzlich das Letztentscheidungsrecht. Außerdem werden die Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat und der Belegschaft ausgeweitet."
("Letztentscheidungsrecht": Das Letztentscheidungsrecht der Hauptversammlung gemäß § 111 IV AktG soll abgeschafft werden. Dieses Gesetz ermöglicht, dass der Unternehmensvorstand bestimmte Entscheidungen, wenn der Aufsichtsrat nicht zustimmt, der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegen kann. Siehe außerdem im Folgenden zur "Letztentscheidungskompetenz" gemäß § 119 AktG.)

[Seiten 158-9, § 119 AktG, Bilanzgewinn:] "... entscheidet die Hauptversammlung nach § 119 I Nr.1 über die Anteilseigner im Aufsichtsrat, Nr. 2 über die Verwendung des Bilanzgewinns, Nr. 3 die Entlastung der Vorstandsmitglieder und des Aufsichtsrats, Nr. 4 die Bestellung eines Abschlussprüfers, Nr. 5 über Satzungsänderungen, Nr.6 über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung, Nr. 7 über Prüfer zur Kontrolle der Geschäftsführung und Nr. 8 über die Auflösung der Gesellschaft.
Die zivilgesellschaftliche Mitbestimmung überträgt lediglich die Kompetenz zur Verwendung des Bilanzgewinns auf den Aufsichtsrat, in allen anderen Fällen bleibt die Letztentscheidungskompetenz der Hauptversammlung erhalten. Damit wird nicht nur das leichte Übergewicht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ausgeglichen, sondern auch weiterhin erheblicher Einfluss der Anteilseigner gewährleistet."

[Seite 70:] "Im geschäftsführenden Organ der Gesellschaft - in der Regel der Vorstand - wird ein Arbeitsdirektor ernannt, der mit Personal- und Sozialangelegenheiten betraut ist. Dieser kann nicht gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter ernannt werden. Zusätzlich muss auch ein Vertreter der Allgemeinheit bestimmt werden, der nicht gegen die Stimmen der Vertreter der Allgemeinheit ernannt werden kann. Ihre konkreten Aufgaben und Befugnisse werden durch die Geschäftsordnung bzw. Satzung bestimmt."

Bei der Wahl der Vertreter der "Allgemeinheit" ist Folgendes die vom Autor bevorzugte Variante:
[Seiten 71-2:] "Eine andere Option könnte eine Analogie zur Wahl der Umweltsachwalter im Entwurf der Grünen darstellen. Statt eines vorbestimmten Gremiums mit einem Vorschlagsmonopol beim Staat oder einem von ihm bestellten Organ erscheint es praktikabel, eine Vielzahl von vorschlagsberechtigten Personen, Gruppen, Organisationen zu benennen. So waren für die Umweltsachwalter die Anteilseigner, die Gewerkschaften des Betriebs, einzelne Betriebsräte, 5 % der Belegschaft des Unternehmens, Umwelt- und Verbraucherverbände, Kommunalparlamente und die in ihr vertretenen Fraktionen vorschlagsberechtigt. Es erscheint sinnvoll, diesen Kreis zu erweitern auf alle eingetragenen Vereine und Organisationen und diese nicht bloß auf Umwelt- und Verbraucherverbände zu reduzieren, sowie auf Bürger, die ein bestimmtes Quorum an Unterschriften für ihren Vorschlag einreichen können. Dies erlaubt eine breite Vorschlagsberechtigung und Partizipation, die möglichst viele Akteure umfasst und nicht die hoheitliche Gewalt als einziges handelndes Subjekt adressiert.
Entgegen der Forderung von Attac können so auch staatliche Repräsentanten als Vertreter des Allgemeininteresses auftreten, sie müssen es aber nicht. Weiterhin werden nur diejenigen Akteure Vorschläge einreichen, die auch ein Interesse an der Unternehmenskontrolle und -steuerung haben. Eine staatliche Vorauswahl, was relevante gesellschaftliche Gruppen sind, muss nicht erfolgen. Die fehlende demokratische Legitimation wird durch die Kooptierung, durch die Unternehmensdemokratie nachgeholt. So ist es auf Anteilseignerseite seit jeher üblich, auch unternehmensfremde Sachverständige zu benennen. Problematisch könnte es höchstens sein, dass die Vorschläge der Anteilseigner und der Betriebsräte besonders durch die Betriebsversammlung und Hauptversammlung präferiert werden. Die Regelung, dass zumindest keiner der Vorgeschlagenen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den traditionellen Fraktionen stehen darf, könnte dieses Problem jedoch abmildern, gesicherte Aussagen sind dazu allerdings mangels empirischer Erfahrungen nicht zu machen. Jedenfalls erscheint die Regelung nicht völlig ungeeignet. Ansonsten könnte man auch von einem betriebsbezogenen Vorschlagsrecht absehen."
(Zu "Entgegen der Forderung von Attac ... staatliche": Es ist keine "Forderung von Attac", auch weil die Formulierung nicht im Konsensteil des entsprechenden Textes steht.)

k) 2018, Gemeinwohl-Ökonomie:

Im Buch „Gemeinwohl-Ökonomie – Komplett aktualisierte und erweiterte Ausgabe“ (2018, Christian Felber) befindet sich im Abschnitt "Demokratisierung von Großunternehmen" ab Seite 99:
„... Globale Konzerne sind heute mächtiger als viele Regierungen: Ihre Entscheidungen können Hunderttausende Menschen betreffen, und sie haben einen unverhältnismäßigen Einfluss auf Medien, Parteien, Wissenschaft und Justiz. Es ist zutiefst undemokratisch, dass wenige Privatpersonen über den Kurs dieser Kolosse bestimmen können, während alle anderen Betroffenen – innerhalb und außerhalb der Unternehmen - kein Mitspracherecht besitzen. Dieser Zustand ist mit dem höchsten Wert der westlichen Kultur, der Demokratie, unvereinbar. Deshalb sollten große Unternehmen in dem Maße, in dem sie größer werden, demokratisiert, und die Mitbestimmung der Gesellschaft sollte ausgeweitet werden. Das könnte zum Beispiel so aussehen:
- ab 250 Beschäftigten erhalten die Belegschaft und die Gesellschaft 25 Prozent der Stimmrechte;
- ab 500 Beschäftigten erhalten sie fünfzig Prozent der Stimmrechte;
- ab 1000 Beschäftigten zwei Drittel der Stimmrechte;
- ab 5000 Beschäftigten gehen die Stimmrechte zu je einem Fünftel an EigentümerInnen, Beschäftigte, KundInnen, Gender-Beauftragte und Umwelt-AnwältInnen über.
Die verpflichtende Mitbestimmung der Belegschaft in den Aufsichtsräten großer Unternehmen gibt es in Deutschland in Unternehmen seit 1976 - sie würde gestärkt werden. Die größere Herausforderung ist die Mitsprache der Gesellschaft, ... Denkbar wäre ein regionales Wirtschaftsparlament, das als Vertretung des Souveräns fungiert und in allen Großunternehmen einer Region im Aufsichtsrat sitzt. Dieses Parlament würde direktdemokratisch gewählt.
… Wenn die Öffentlichkeit und die Beschäftigten mit wachsender Unternehmensgröße die Entscheidungen zunehmend verantworten, wäre es auch gerecht, dass sie im Falle von Verlusten diese mittragen. Freiheit und Verantwortung sollten aneinander gekoppelt sein.“

l) 2018, Karl-Martin Hentschel

(aktiv bei Attac, Mehr Demokratie). Im Buch "Demokratie für morgen":

Seite 170: "Große Konzerne und systemrelevante Banken und Fonds sollten aufgelöst werden können. Alternativ müssen sie dem Gemeinwohl verpflichtet werden, was durch eine entsprechende Besetzung des Aufsichtsrats gewährleistet werden könnte."

Während obiges Zitat nicht eindeutig als Position des Autors zu erkennen ist, ist folgendes Zitat aus Seite 197/8 als Position des Autors zu erkennen (in Abschnitt "Vorschlag: Eine EU-Verfassung mit sieben Gewalten"):
"Daher schlage ich einen durch die Verfassung legitimierten Wirtschaftsrat als sechste Regulative Gewalt vor. Dieser muss unabhängig genug sein, die Marktwirtschaft vor zu hoher Konzentration zu sichern (Kartellamtsfunktion). Er muss sicherstellen, dass kein Unternehmen, keine Bank und keine Kapitalgruppe so groß ist, dass sie die Regierung erpressen kann, dass sie Märkte monopolisieren kann und dass sie systemrelevant wird. Zugleich muss er sicherstellen, dass ein starker Mittelstand als Rückgrat der Wirtschft Bestand hat und nicht von großen transnationalen Konzernen verdrängt wird. Dazu braucht er das Recht, Konzerne aufzuteilen und kleinen und mittleren Unternehmen systematische Vorteile und Förderung zukommen zu lassen. Andererseits sollten die Aufsichtsratsplätze in Großunternehmen nach Größe gestaffelt zunehmend von Vertretern der Öffentlichkeit und der Belegschaft besetzt werden.
Es liegt auf der Hand, dass eine solche Regulierung nur auf europäische Ebene möglich ist."

m) 2018, Heinz-J. Bontrup

(Sprecher der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik), Artikel: "Neutralisiertes Kapital - Die erreichte Mitbestimmung reicht nicht aus. Wie demokratisches Wirtschaften in Unternehmen möglich sein soll? Ein konkreter Vorschlag"[13]

"Der Belegschaftsrat ist das höchste Kontrollorgan im Unternehmen und ersetzt die heutigen Aufsichtsräte … Was passiert aber mit den Eigentümern der Unternehmen? Diese bekommen auch Sitze im Belegschaftsrat, genauso wie Vertreter der Öffentlichkeit, wozu staatliche Vertreter, Verbraucher- und Umweltschutzverbände gehören. Die Anzahl der jeweiligen Vertreter richtet sich nach der Größe der Unternehmen. Kapital und Arbeit müssen sich dabei mit ihren Stimmanteilen neutralisieren. Beispielsweise könnte so der Belegschaftsrat in Großunternehmen ab 1.000 Beschäftigten aus fünf Belegschaftsvertretern, fünf Kapitalvertretern und jeweils einem Staats- sowie Verbraucher- und Umweltschutzvertreter bestehen."

"Wie soll dabei aber konkret die Gewinnpartizipation erfolgen? In einem demokratisierten Unternehmen gehört der Gewinn dem Unternehmen als Ganzem. Dies widerspricht den heutigen Eigentümerverhältnissen und Gewinnaneignungen total. Die Gewinnpartizipation ist hier als eine kollektive Partizipation am Unternehmenserfolg zu verstehen und wird in ein »neutralisiertes Kapital« im Sinne von Ota Šik, dem wohl größten Ökonomieforscher in Sachen Wirtschaftsdemokratie, umgewandelt, »bei dem das Eigentum am Kapital eines Unternehmens nicht mehr an einzelne Personen gebunden und auch nicht mehr zwischen einzelnen Personen aufteilbar ist«. Das heißt im Ergebnis, die Beschäftigten werden durch die Kapitalneutralisierung nicht individuelle Eigentümer der Unternehmen, sondern am Ende gehören sich die Unternehmen selbst.
Beim neutralisierten Kapital handelt es sich um eine völlig neue Eigentumsform, die ohne Enteignung der bisherigen Eigentümer sukzessive dadurch entsteht, dass sich in den bestehenden Unternehmen das neutralisierte Kapital im Zeitablauf durch eine Gewinnthesaurierung immer mehr ansammelt. Von Jahr zu Jahr würde ein zuwachsender Anteil des Kapitals zum Kollektiveigentum der Unternehmen werden. ... Über die finale Gewinnverwendung entscheidet aber jeweils letztlich, auf Vorschlag des Managementausschusses, der Belegschaftsrat."

n) 2022, Goliathwatch:

Bei Goliathwatch bin ich aktiv.
In https://goliathwatch.de/dritte-gruppe ist der Text "Zivilgesellschaftliche Mitbestimmung in Großunternehmen" verlinkt. Darin werden 4 grundlegende Punkte für eine Mitbestimmung mit dritter Gruppe genannt:

  1. Die dritte Gruppe soll nicht von den anderen beiden Gruppen gewählt werden.
  2. Bei der Größe eines Unternehmens, ab der die Mitbestimmung angewandt wird, soll es nicht nur um eine Mindestzahl an Beschäftigten gehen, sondern alternativ auch um finanzielle Mindestwerte ...
  3. Diese Mitbestimmung soll transnational sein.
  4. Die Anteilseigner sollen eine Minderheit der Stimmen haben, genauso wie die anderen Gruppen auch. Für eine vorherige Zwischenlösung ist trotzdem ein Ansatz zu beachten, bei dem die Anteilseigner die Hälfte der Stimmen haben.

Zur einfachen Wahl einer dritten Gruppe steht in diesem Text:
"Gerade bei der Einführung dieser Mitbestimmung ist es wichtig, dass die Stimmabgabe einfach ist. Auch deshalb halten wir folgenden Ansatz für besonders interessant:
Mit 1 Stimme wählt eine Wählerin oder ein Wähler nicht nur Aufsichtsrats-Mitglieder eines einzelnen Unternehmens, sondern Aufsichtsrats-Mitglieder mehrerer Unternehmen zusammen. ..."

o) 2023, Michael Kox,

mein Text zur 3-Gruppen-Mitbestimmung in www.mitbestimmung.eu
Einige Punkte daraus:

4.4 Einige Bemerkungen zu diesen Ansätzen

4.5 Volkswagen (VW)

Die Unternehmensmitbestimmung bei Volkswagen kann als Mitbestimmung mit dritter Gruppe verstanden werden, bei der die dritte Gruppe Teil der Anteilseigner ist. Für diese Mitbestimmung trat 1960 das VW‑Gesetz[14] in Kraft. Wichtige Bestandteile dieses Gesetzes in den ersten Jahren:

Die Bundesrepublik Deutschland hat 1988 alle Aktien von VW verkauft und damit auf das Recht verzichtet, zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Das Land Niedersachsen hat aber weiterhin auf Grundlage dieses Gesetzte zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat entsandt.

Nach einem Urteil[15] zu einer Klage der EU-Kommission vor dem europäischen Gerichtshof wurden die oben genannten Regelungen 2008 aus dem VW-Gesetz entfernt. Das Gerichts verurteilte die Verbindung diese beiden Regelungen mit folgender Regelung, die im VW-Gesetz erhalten blieb:

Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Niedersachsen 20% der Stammaktien besitzt.
Zur Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern durch Niedersachsen und Deutschland sah das Gericht eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs. Gründe:

Eine weitere wichtige Regelung aus dem VW-Gesetz, die erhalten blieb:

Das Land Niedersachsen kann jetzt zwar 2 Aufsichtsratsmitglieder nicht mehr auf Grundlage des VW‑Gesetzes in den Aufsichtsrat entsenden, Niedersachsen kann dies aber auf Grundlage einer Anpassung der VW-Satzung[16], da Niedersachsen 20%[17] der Stammaktien besitzt:

Neben dieser Besonderheit erfolgt die Unternehmensmitbestimmung im Aufsichtsrat von VW entsprechend dem Mitbestimmungsgesetz von 1976.

Für die Durchsetzungskraft der Beschäftigten ist die besondere Stellung des Landes Niedersachsen hilfreich. Mit Blick auf Umweltschutz (z.B. Diesel-Skandal) und Menschenrechte (z.B. Uiguren in China) stellt sich die Frage, ob die Besetzung des Aufsichtsrats vielfältig genug ist.

5. Eigentum und Verfassung/Grundgesetz

Zunächst einmal ist leicht ersichtlich, dass ein Aktionär mit einem kleinen Aktienanteil auch ohne Mitbestimmung von Beschäftigten oder 3. Gruppe nur einen kleinen Einfluss hat, welche Entscheidungen für ein Unternehmen getroffen werden.
Andere Interessenschwerpunkte von Beschäftigten und der 3. Gruppe können aber Verkaufswert und Dividende eines Anteils beeinflussen (und damit die Rendite).
Zu diesen Aspekten gibt es im Folgenden einige Zitate:

Die im folgenden Zitat genannten „mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse“ beziehen sich auf das Recht, die Entscheidungen eines Unternehmens zu beeinflussen, vor allem durch Kontrolle und Personalentscheidungen.
In einem Urteil zur Montan-Mitbestimmung hat das Bundesverfassungsgericht in Zusammenhang mit §14 („Eigentum,...“) des Grundgesetzes geschrieben:
"Hinsichtlich der Eigentumsgarantie sind jedoch im Wesentlichen nur die mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse der Anteilseigner betroffen, während das vermögensrechtliche Element des Anteilseigentums nicht berührt ist. Außerdem fällt der nur wenig ausgeprägte personale Bezug der Anteilsrechte in ihrer mitgliedschaftsrechtlichen Bedeutung ins Gewicht"[18]

In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Mitbestimmungsgesetz von 1976 ist zu lesen:
"Für das Ausmaß zulässiger Sozialbindung des Anteilseigentums an größeren Unternehmen ist dessen Eigenart von Bedeutung. Das Anteilseigentum ist in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen Element gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum […]: Neben dem Sozialordnungsrecht […] bestimmt und begrenzt das Gesellschaftsrecht die Rechte des Anteilseigners; nach diesem wird das Vermögensrecht durch das Mitgliedschaftsrecht "vermittelt"; der Eigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er ist hinsichtlich der Nutzung auf den Vermögenswert beschränkt, während ihm Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zustehen. Anders als beim Sacheigentum, bei dem die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Wirkungen des Gebrauchs in der Person des Eigentümers zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentum also weitgehend gelöst.
...
Die §§ 7, 27, 29 und 31 MitbestG betreffen den gesellschaftsrechtlich begründeten Einfluß der Anteilseigner auf die Besetzung des Aufsichtsrats und über diesen auf die Wahl oder Abberufung der Unternehmensleitung und deren Kontrolle. Damit wirken sich diese Vorschriften in erster Linie auf mittelbare Verfügungsbefugnisse der Anteilseigner aus und allenfalls in zweiter Linie auf den Vermögenswert des Anteilsrechts.
...
Grundsätzlich zeigt sich der gegenüber dem Sacheigentum geringere personale Bezug des Anteilseigentums in dem dargelegten Auseinanderfallen von Gebrauch des Eigentums und Verantwortung für diesen Gebrauch: Anders als der Unternehmer-Eigentümer vermag der Anteilseigner mit seinem Eigentum nur mittelbar zu wirken; die vermögensrechtliche Haftung für die wirtschaftlichen Folgen von Fehlentscheidungen ergreift ihn nicht als Person, sondern sie bezieht sich auf einen eingegrenzten Teil seiner Vermögenssphäre."[19]

Im Text von Onur Ocak (siehe 4.3.j), der sich ausführlich mit rechtlichen Fragen beschäftigt, ist auf Seite 145 zu finden:
"Als eines der wesentlichen Kernelemente des Anteilseigentums könnte das Renditeinteresse gesteigerten Schutz vor der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers verlangen. Dem steht jedoch die bereits ausführlich erörterte Sozialbindung des Anteilseigentums gegenüber. Das Anteilseigentum kann seinen vermögensrechtlichen Bestand nur durch Zuhilfenahme Dritter, wie der Arbeitnehmer, der öffentlichen Infrastruktur und des Ausbildungssystems entwickeln. Es dient nicht primär dem Zweck unternehmerischer Freiheit und Betätigung, sondern als Vermögensanlage. Damit wird primär in den Randbereich des Eigentumsrechts der Anteilseigner eingegriffen. Nimmt der Gesetzgeber daher Beschränkungen zugunsten dieser Dritten vor, so hat er einen weiten Gestaltungsspielraum."

6. ergänzende Punkte

Fußnoten:

1 Siehe MitbestG § 15. Zu "nur 2 Kandidaten" (ist auch in § 15 geregelt) siehe ergänzend:

2 Siehe § 8 und § 5 im Montan-MitbestG. Erläuterungen hierzu sind in: „Mitbestimmungsrecht. Kommentar“, 4. Auflage 2011, von Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Verlag Franz Vahlen.

3 https://www.dgb.de/++co++3f0504bc-fe03-11e8-9849-52540088cada/DGB-Beschluss-Vorschlaege-zur-Weiterentwicklung-der-Mitbestimmung.pdf
Offensive Mitbestimmung. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung. Beschluss des DGB-Bundesvorstandes vom 12. Juli 2016
Seite 22

4 Vergleiche in Lyon-Caen den Abschnitt „§ 1 – Das deutsche Beispiel“ auf den Seiten 39-42.

5 "Mitbestimmung, Wirtschaftsordnung, Grundgesetz - Protokoll der Wissenschaftlichen Konferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom 1. bis 3. Oktober 1975 in Frankfurt am Main", Herausgegeben von Heinz O. Vetter, 1975, Europäische Verlagsanstalt

6 "Mitbestimmung für die Europäische Aktiengesellschaft: Nützliche Lehren aus mehr als dreißig Jahren Seifenoper" von Arndt Sorge, 2006, WZB discussion paper (SP III 2006-204)

7 Pages 96 and 99 (points 13. and 23.) in: "Report of the Committee of Inquiry on Industrial Democracy", Chairman Lord Bullock, 1977

8 Aufsatz „Ökologisierung und Demokratisierung der Unternehmensverfassung – Plädoyer für eine Gesetzesinitiative“, in: MEMO-FORUM. Zirkular der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“ Nr. 17, Bremen, Mai 1991, S. 2-23.

9 Seiten 365-7 und 371, in J. Beerhorst / A. Demirović / M. Guggemos (Hrsg.): 'Kritische Theorie im gesellschaftlichen Strukturwandel'

10 Siehe http://www.linksnet.de/de/artikel/19818

11 Siehe http://www.akademie-solidarische-oekonomie.de/wp-content/uploads/2017/11/aufsatz_in_zeitschrift_fur_sozialokonomie_id.pdf

12 Siehe http://berliner-energietisch.net/images/gesetzentwurf%20und%20begrndung.pdf

13 https://www.iwipo.eu/arbeitsfelder/oekonomieglobalisierung/neutralisiertes-kapital/
Dieser Artikel ist in OXI 12/2018.

14 VW-Gesetz: "Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand" (VWGmbHÜG)

15 Urteil vom 23. 10. 2007 — Rechtssache C-112/05:
Siehe https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A62005CJ0112
oder https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=EuGH&Datum=23.10.2007&Aktenzeichen=C-112/05

16 VW-Satzung ist in https://www.volkswagenag.com/presence/investorrelation/publications/shareholder-meetings/2023/Satzung_09.2021.pdf

17 Siehe https://www.volkswagenag.com/presence/investorrelation/publications/annual-media-conference/2023/volkswagen-ag/Jahresabschluss%20Volkswagen%20AG%20zum%2031.%20Dezember%202022.pdf
Seite 16: „Das Gezeichnete Kapital setzte sich unverändert aus 295.089.818 nennwertlosen Stammaktien und 206.205.445 nennwertlosen Vorzugsaktien zusammen“
Seite 55: „Das Land Niedersachsen hat unter dem 9. Januar 2023 mitgeteilt, dass das Land Niedersachsen zum 31. Dezember 2022 insgesamt 59.022.390 Stammaktien der Volkswagen AG hält“.
Niedersachsen hält also knapp über 20% der Stammaktien:
59.022.390 * 100 / 295.089.818 = 20,0015

18 Aus der Begründung eines Urteils von 1999 zur Montan-Mitbestimmung; siehe BverfG, 1 BvL 2/91 vom 2.3.1999, Absatz-Nr. 77, http://www.bverfg.de.

19 Siehe Urteil von 1979 zum Mitbestimmungsrecht von 1976; BverfGE 50, 290 [Seiten 342-4, 348].